Eigentlich heißt er ja Thomas Morgenstern, aber der junge Mann, der seit seiner phänomenalen Erfolge im Skispringen zum Liebling der Nation aufgestiegen ist, hat von den Medien den Kosenamen „Morgi“ erhalten. Na gut, dann also Morgi. Was das Geheimnis seines Erfolges ist, verriet Morgi am Freitag dem Kurier:

Neben der harten körperlichen Vorbereitung setzt Morgenstern auch auf ein „Geheimmittel“. Seit seiner Gürtelrosen-Erkrankung vor der WM im heurigen Februar trägt der 21-Jährige eine Halskette mit „Bio-Computer“ (Atox). Er habe bei der WM in Sapporo Bronze und Team-Gold gewonnen, obwohl er zwei Wochen zuvor noch krank im Bett gelegen sei. „Von da an war das ein sehr wichtiger Teil von mir, ich bin ausgeglichener und habe noch mehr Gespür.“ Morgenstern glaubt an die Wirkung („Es gibt Dinge, die man nicht erklären kann“) und sieht es in seiner Erfolgsgeschichte als einen Aspekt vom Ganzen.

Und hier können Sie sehen, wie Morgi seinen Bio-Computer auf Zerstörungsresistenz testet:

Aufmerksame Leser des Standard erinnern sich vielleicht daran, dass der Atox Bio-Computer im Juli in einem mit Quantenmystik und Biokram betitelten Kommentar von mir als trauriges Beispiel dafür genannt wurde, wie selbst Universitätsprofessoren ihre Reputation an die Hersteller von pseudowissenschaftlicher Voodoo-Technik vermieten. (Auf Dauer leider schlecht für die Reputation, da hilft auch keine substanzlose Entgegnung. Eine kleine Nachlese dazu gibt es hier unter Punkt 4leider ist der Artikel schon im kostenpflichtigen Archiv des Standard verschwunden. Update kommt bald, versprochen. Update ist erfolgt!)

Jetzt also Morgi. Ein guter Anlass, um den „wissenschaftlichen“ Hintergrund zum Atox Bio-Computer etwas näher unter die Lupe zu nehmen, auf den Atox Geschäftsführer Wolfgang Nagele in seinem Leserbrief hinwies.

Die Basisinformationen: Der Atox Bio-Computer ist ein Produkt (je nach Modell etwa € 200 bis € 300) der steirischen Firma ATOX Systemtechnik GmbH, einer Tochter der m2 Master Management GmbH. Um den Hals getragen, schützt er angeblich vor diversen „Strahlungen“, indem er „negative Informationen in positive umwandelt“. Selbstverständlich tut er das stromlos. Entwickelt wurde er laut Atox von einem russischen Physiker namens Dr. Alexander Tarasov.

Alexander Tarasov

Wer ist dieser Herr Tarasov? Wir sehen nach auf der Webseite von Atox:

Alexander Tarasov ist korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Naturwissenschaften.

Das mag stimmen. Man sollte dazu aber wissen, dass diese weithin unbekannte und privat finanzierte Einrichtung nicht rein zufällig einen sehr ähnlichen Namen trägt wie die angesehene Russischen Akademie der Wissenschaften. „Bedauerliche“ Verwechslungen mit jener passieren da mitunter. Etwa in einem Atox Jubelartikel in der esoterischen Zeitschrift Pulsar.

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Oder in dieser Pressemeldung. Aussender der Fehlinformation war der pressetext-Redakteur Wolfgang Weitlaner, ein einschlägig bekannter Esoterikfreund und ein großer Fan meiner Kommentare. (Auch von diesem?)

Tarasov ist Mitglied der Internationalen Kommission unabhängiger Wissenschaftler zum Schutz vor nicht ionisierenden Strahlungen.

Tatsächlich gibt es die angesehene International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP), nur kennt deren Mitgliederliste keinen Herrn Tarasov. Vielleicht ist das der Grund, warum Tarasov in seiner Sammlung von offenen Briefen (Zitat: „Nach dem GESETZ des KOSMOS zieht Gleiches Gleiches an“) diese Vereinigung als INTERDIS abzukürzen pflegt, eine Bezeichnung hinter der ein privater Verein namens Internationale Gesellschaft für Interdisziplinäre Wissenschaft steckt.

Tarasov hat entdeckt, dass die feinstoffliche „Energie- Informations-Komponente“ der Strahlung um ein Vielfaches schneller als die physische ist.

Da die „physische“ Komponente der Strahlung, mit der wohl die messbare gemeint ist, sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, muss die „feinstoffliche“ überlichtschnell dahersausen. Mit dieser Entdeckung hat Tarasov also Einsteins spezielle Relativitätstheorie widerlegt. Das wird Herrn Minister Hahn freuen. Österreich wartet schließlich schon viel zu lange auf den nächsten Nobelpreis.

Was Atox seinen Kunden nicht erzählt, ist, dass Alexander Tarasov ein ganz spezielles Hobby hat. Er kommuniziert nämlich mit höheren Mächten, die er MEISTER der planetaren HIERARCHIE nennt. Die erzählen ihm alle möglichen interessanten Dinge. Etwa über UFOs oder über KORNKREISE. Statt Wissenschaft also paranoid-religiöse Wahnvorstellungen.

Der wundersame Strahlenschutz des Atox Bio-Computers wurde auch von der aus Moskau stammenden und mittlerweile in Graz tätigen Physikerin Dr. Noemi Kempe bestätigt. Die Geräte, deren sich die Dame bei ihren Untersuchungen bedient, sind ein Bioresonanzgerät und eine Wünschelrute. Ihr Beitrag zur österreichischen Pseudowissenschaft ist so bedeutend, dass ich ihr Anfang des Jahres einen eigenen Artikel im Skeptiker gewidmet habe.

Warum Menschen über € 200 hinblättern um einen funktionslosen Plastik-Glücksbringer zu erwerben? Vermutlich unter anderem deshalb weil Stars wie Thomas Morgenstern ihn um den Hals tragen. Aber, wie Morgi selbst sagte: Es gibt Dinge, die man nicht erklären kann.