James Watson, Nobelpreisträger und Mitentdecker der DNA-Struktur, wird seinem Ruf wieder einmal gerecht. Den beschrieb das Magazin Science anno 1990 so:
Für viele in der wissenschaftlichen Gemeinschaft war Watson immer schon so etwas wie ein Wilder, und seine Kollegen halten den Atem an sobald er vom Manuskript abweicht.
1997 war Watson gefragt worden, ob Frauen das Recht haben sollten, ein Kind abzutreiben, wenn ein (hypothetischer) Gentest feststellt, dass dieses homosexuell sein würde. Watson, ein Befürworter des Rechts auf Abtreibung, antwortete mit „Ja“. Der Telegraph, für den sollen und dürfen sollen keinen großen Unterschied macht, titelte „Abort babies with gay genes, says Nobel winner„.
Und jetzt also wieder James Watson.
Für Afrikas Zukunft sehe es düster aus, sagte er in einem Interview mit der Sunday Times am 14. Oktober, weil die Politik davon ausgehe, dass die Intelligenz der Afrikaner dieselbe sei wie „die unsere“, obwohl alle Tests das Gegenteil zeigten.
Wer 1994 die Kontroverse um das Buch The Bell Curve miterlebt hat, kann sich leicht ausmalen, was dann passierte. „Rassismusskandal“ schrien die Medien, man zeigte sich „empört“, „entsetzt“ und „bestürzt“, mehrere Universitäten sagten geplante Auftritte von Watson ab und dieser sah sich schließlich gezwungen, seine Vortragsreise durch England vorzeitig abzubrechen. Watson entschuldigte sich daraufhin „uneingeschränkt“ und meinte, er könne sich gar nicht erklären, warum er so etwas gesagt haben solle. Vergeblich. Gestern wurde er aus dem Vorstand des Cold Spring Harbor Laboratory geworfen.
Nun, dass Watson’s Behauptung nicht besonders geschickt war, ist unbestritten. Aber versuchen wir einmal, den Auslöser des Skandals genauer zu lokalisieren. Watson sagte im Grunde vier Dinge:
(1) Die Politik geht davon aus, dass Afrikaner im Schnitt gleich intelligent seien wie Weiße.
(2) Tatsächlich zeigen alle Tests, dass Afrikaner im Schnitt weniger intelligent sind als Weiße.
(3) Also ist die Politik fehlgeleitet und wird ihre Ziele verfehlen.
(4) Deshalb schaut es für die Zukunft Afrikas schlecht aus.
Nun sind (3) und (4) Implikationen, über die sich trefflich streiten ließe. (1) ist eine Behauptung, deren Wahrheitsgehalt man prüfen könnte, die aber niemanden wirklich interessiert. Der Skandal entzündete sich ausschließlich an Behauptung (2). Wer die Überlegenheit der Intelligenz der Weißen über die der Schwarzen behauptet, sei im Irrtum, so ist der allgemeine Tenor. Eine solche Aussage spiegele nur Vorurteile und sei daher als rassistisch zu werten.
Intelligenz, so eine gebräuchliche Konvention, ist das, was übliche psychometrische Tests zur Ermittlung des IQ (Hamburg-Wechsler Test, Stanford-Binet Test etc.) messen. Diese Tests werden für verschiedene Altersstufen regelmäßig an großen Stichproben aus der weißen Bevölkerung geeicht, so dass diese einen Mittelwert von 100 Punkten bei einer Standardabweichung von 15 erreicht. Welchen Wert erreichen Schwarze auf dieser Skala? Dazu gibt es Dutzende von Studien (ausgewertet etwa von Richard Lynn), manche davon schlecht designt, manche besser, wie es eben so üblich ist. Vereinzelte Studien fanden keinen statistisch signifikanten Unterschied. Die große Mehrheit aber kommt zum Schluss, dass der mittlere IQ von Schwarzen deutlich unter dem von Weißen liegt. Typische Schätzungen liegen etwa im Bereich von 85 bis 90 für schwarze Amerikaner und bei 70 bis 80 für Schwarzafrikaner. An der Spitze aber, so dieselben Studien, liegen die Ostasisaten mit einem mittleren IQ von etwa 105.
Die gesamte Thematik ist natürlich umstritten, auch innerhalb der Psychologie. Aber die Beweislage für die Nulldifferenzhypothese ist weniger als nur dünn. Watson’s Behauptung (2) ist also im Grunde höchstwahrscheinlich wissenschaftlich korrekt. Aber wissenschaftlich korrekt und politisch korrekt ist eben nicht immer dasselbe. Das müssen auch Nobelpreisträger zur Kenntnis nehmen.
6 Kommentare
Comments feed for this article
Donnerstag, 15 November, 2007 um 10:50
Dr. Erich Eder
Es ist halt oft die gleiche Geschichte, wenn sich Nobelpreisträger zu einem fachfremden Thema äußern. Und oft (vgl. Lorenz, Eibl-Eibesfeldt) vermengen (vor allem ältere) Wissenschaftler wissenschaftliche Fakten und politische Überzeugungen… Sind halt auch nur Menschen…
Und wenn man den psychologischen Begriff der „Teilleistungs“ -schwäche oder -stärke ansieht, versteht man, dass
1. der IQ ohnehin ein völlig ungeeignetes Maß (wofür?) ist und
2. ein Nobelpreisträger für Literatur in Mathematik ein Trottel sein kann.
Beim HAWIE gibt es Bildtafeln, wo man fehlende Körperteile u.dgl. finden muss. Auf einer Tafel fehlt dort einem Mann allen Ernstes – die Krawatte! Kein Witz! Da wundert mich sowieso nichts mehr…
Nebstbei ist die genetische und damit auch die Merkmals-Variabilität der in Afrika lebenden Menschen höher als im gesamten Rest der Welt (weil ja nur ein relativ kleiner „genetischer Flaschenhals“ out of Africa gewandert ist), „den Afrikaner“ gibt es daher sowieso nicht: Schon zwischen Hutus und Tutsis ist wahrscheinlich ein größerer Unterschied als zwischen Kanadiern und Sizilianern. Wird das in einer dieser „Studien“ berücksichtigt?
Donnerstag, 15 November, 2007 um 16:20
Ulrich Berger
@ Erich:
Dass der IQ „völlig ungeeignet“ wofür auch immer ist, würde ich nicht unterschreiben. Immerhin korreliert er recht stark mit dem Schulerfolg und noch einigermaßen mit diversen Maßstäben von „beruflichem Erfolg“ – beides nicht ganz unwichtige Dinge im Leben vieler Menschen.
Die fehlende Krawatte im HAWIE stammt aus den 60/70er Jahren. Diese Anekdote wird verwendet um darauf hinzuweisen, wie sich gesellschaftliche/kulturelle Normen im Lauf der Zeit verändern und wie sich das auch in manchen IQ-Tests widerspiegelt. Soviel ich weiß, ist die Krawatte aus den aktualisierten Versionen des HAWIE längst verschwunden. Außerdem ist das für die Afrikaner irrelevant, denn dort wurden natürlich möglichst „kulturell neutrale“ Tests wie Ravens Progressive Matrices o.ä. verwendet. (Die Psychologen sind ja auch nicht alle blöd oder Rassisten…)
Die Frage nach *genetischen* Unterschieden ist wieder ganz eine andere. Niemand bestreitet ernsthaft, dass es eine ganze Reihe umweltbedingter Gründe für die Differenzen in den IQ-scores gibt. Und freilich kann man lange debattieren, was diese Differenzen jetzt eigentlich aussagen. Aber die reine Existenz dieser Differenzen abzustreiten ist Ideologie, nicht Wissenschaft.
Samstag, 15 Dezember, 2007 um 20:04
Ulrich Berger
Zum Streit über genetisch bedingte IQ-Differenzen gibt es von Malcolm Gladwell eine lesenswerten Artikel im New Yorker.
Dienstag, 31 August, 2010 um 15:44
Sarazzins Steinigung widerspricht der Scharia « Aufklärung 2.0
[…] Berger von der GWUP (die deutschen Skeptiker) hat damals James Watson ebenfalls verteidigt: Intelligenz, so eine gebräuchliche Konvention, ist das, was übliche psychometrische Tests zur […]
Dienstag, 31 August, 2010 um 15:49
Sarrazins Steinigung widerspricht der Scharia « Aufklärung 2.0
[…] Berger von der GWUP (die deutschen Skeptiker) hat damals James Watson ebenfalls verteidigt: Intelligenz, so eine gebräuchliche Konvention, ist das, was übliche psychometrische Tests zur […]
Dienstag, 1 November, 2011 um 22:46
Die Unterdrückung der Intelligenzforschung (Andreas Müller) « Grottians Blog
[…] Berger, Mitglied im Vorstand und Wissenschaftsrat der GWUP, hat damals James Watson ebenfalls verteidigt: Intelligenz, so eine gebräuchliche Konvention, ist das, was übliche psychometrische Tests zur […]